Das Exposé gehört ans Ende… oder nicht?!

Ich setze mal voraus, dass jeder hier ungefähr weiß was ein Exposé ist. Falls nicht, kann ich euch Robert Corvus (auch als Bernhard Craw bekannt) Videoblog empfehlen. Dort werden für Autoren interessante Themen aufgegriffen und auch Grundlagen erläutert, bspw. die Definition und Erstellung einer Standardmanuskriptseite oder eben Inhalt und Sinn eines Exposés.

Als ich ernsthaft mit dem Schreiben begann, beschränkte sich meine Arbeitsweise anfänglich auf eine grobe Idee, einen knappen Handlungsverlauf und die eigentliche Textarbeit. Meinem jugendlichen Ego erschien ohnehin nur das eigentliche Schreiben als wirklich würdig und ich war überzeugt, dass jeder echte Schriftsteller (was immer das sein soll) genau so arbeitet. Obwohl ich schnell gemerkt habe, dass das ungeplante Schreiben mich eher hemmt als befreit, habe ich lange daran festgehalten. Seltsamerweise war ich der festen Überzeugung, dass es mir an Talent mangeln würde, wenn ich nicht spontan, ohne Planung, einen längeren Text schreiben könnte. Um es klar zu sagen: Das ist Schwachsinn. Es gibt sehr viele erfolgreiche Autoren, die ihre Geschichten vor der Textarbeit bis ins Kleinste durchplanen, vom Verlauf der Handlung, über die detaillierte Ausarbeitung der Charaktere bis hin zum Aufbau der einzelnen Szenen (denen sie oft ebenso viel Aufmerksamkeit schenken wie dem Gesamtwerk). Elizabeth George arbeitet beispielsweise auf diese Weise und ihr Buch Wort für Wort ist, ohne Übertreibung, für junge Autoren eine echte Offenbarung.

Für mich hat das geplante Schreiben mehrere Vorteile. Der wichtigste Effekt für mich persönlich ist, dass ich keine Angst mehr vor dem Text haben muss. Ich weiß, was ich schreiben möchte und habe einen Plan den ich abarbeiten kann. Gerade weil ich nicht hauptberuflich an meinen Kurzgeschichten und Romanen arbeiten kann, sondern oft nur ein, zwei Stunden Schreibzeit zwischendurch einschieben oder mich müde an das Skript setzen kann. Da ich einen Plan habe, muss ich mich nicht jedes Mal in Stimmung bringen, sondern lese die letzte Seite und kann direkt mit der Arbeit beginnen. Schreibblockaden gibt es nicht, nur gelungene und weniger gelungene Textabschnitte. Der zweite wichtige Vorteil ist, dass ich mich beim Schreiben nicht mehr um die Geschichte und die Charaktere kümmern muss. Ich kann mir also während des Schreibens direkt mehr Gedanken über Sprache, Satzbau und Tempo machen.

Soweit zu meiner grundsätzlichen Arbeitsweise. Schlagen wir den Bogen zum Titel des Artikels: Ich bin kürzlich auf das Buch Drei Seiten für ein Exposé (von Hans Peter Roentgen) gestoßen. Herr Roentgen erwähnt unter anderem, dass manche Autoren die Entwicklung des Exposés an den Anfang der Arbeit stellen und zusammen mit der Idee, dem Pitch und dem Handlungsverlauf als Grundriss der Geschichte verwenden. Die Idee ist so einfach und einleuchtend, dass sie mir vorher noch nie in den Sinn gekommen war. Für mich war das Exposé immer eine Art Zusammenfassung, die man überhaupt erst schreiben kann, wenn die Arbeit am Roman abgeschlossen ist. Die Kernaussage von Herrn Roentgen war sinngemäß, dass das Exposé schnell die Schwächen einer Geschichte offenbart und einen zwingt zu prüfen, ob Geschichte und Charaktere etwas taugen. Irgendwie habe ich mich von der Aussage herausgefordert gefühlt. Obwohl ich mich bereits mitten im Manuskript des aktuellen Projekts befand, habe ich die Arbeit eingestellt und mich an das Exposé gesetzt. Das Ergebnis war verblüffend. Es ist erhellend, welche Erkenntnisse man gewinnt, wenn man eine Geschichte destilliert und versucht auf das Wesentliche zu reduzieren ohne dabei an Spannung zu verlieren. Es war als ob ich nur die halbe Geschichte vor mir hätte und der Rest sich erst zusammen mit dem Exposé entwickelt würde. Das Exposé voran zu schreiben war anstrengendste Textarbeit seit Langem aber gefühlt hat es sich positiv auf den gesamten Text ausgewirkt und der Geschichte erst den richtigen Schliff gegeben. Mittlerweile experimentiere ich auch in anderen Bereichen damit vorab ein Exposé oder wenigstens ein Kurzexposé zu erstellen und zumindest meinem subjektiven Eindruck nach, wirkt sich das positiv auf die Texte aus. Falls also jemand seine eigene Arbeitsweise noch nicht abschließend gefunden hat, kann ich nur empfehlen einmal zu versuchen das Exposé an den Anfang zu stellen.

 

Das Beitragsbild ist übrigens von berwis  / pixelio.de Vielen Dank für die Nutzungserlaubnis!

This article has 1 comments

  1. Matthias

    Hallo!
    Auch wenn mein Kommentar nun ewig spät kommt, bin über Splittermond-Forum hier gelandet, kann ich Deine Erfahrung nur bestätigen. Mein Professor, welcher mich bei der Diplom-Arbeit betreute, wollte schon in den ersten 4 Wochen einen Abstract von mir haben. Er meinte, den kann man später noch anpassen, aber mach’ das erstmal, das hilft. Hier mit dem Exposé scheint es wohl ähnlich gut zu funktionieren.
    Viele Grüße! Matthias

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