Der Gratisrollenspieltag 2019 aus persönlicher Perspektive

Der Gratisrollenspieltag aus Sicht von Prometheus/13Mann ist bereits geschrieben und online. Natürlich ist der auf seine Art ebenfalls stets subjektiv, aber irgendwie drängt es mich, auch ein paar ganz persönliche Worte und Gedanken zu unser aller Rollenspielfeiertag in die Tasten zu werfen. Wer mit dem Gratisrollenspieltag noch nichts anfangen kann, findet hier mehr dazu.

Als Moritz damals mit der Idee eines deutschen Free RPG Day auf mich zukam, fand ich das toll, sah aber ehrlich gesagt nicht wirklich viel Potential darin. Zu meiner Entschuldigung: Das ist mehr als sieben Jahre her. Damals hatte Pegasus noch keinen Deutschen Spielepreis gewonnen, DSA noch Seele und Splittermond war nicht mal eine Idee im Uhrwerk-Kreativzentrum. Glücklicherweise waren Moritz und Karsten sehr beharrlich, trotz der ständigen Kritik aus einem kleinen digitalen Kreis des Fandoms, und mittlerweile bin ich sehr dankbar, dass ich damals dabei sein durfte. Aus dem kleinen „Wir kopieren mal wieder was aus Übersee“-Baby ist ein waschechter Rollenspielfeiertag geworden, der sich vor keinem anderen Event verstecken muss. Dabei wird der GRT von so viel positiver Stimmung, so viel ehrenamtlichem Engagement und so viel Detailliebe getragen, dass ich nur staunen kann. Der Gratisrollenspieltag ist kein Tag, an dem man einfach nur kostenlos Spielmaterial abgreifen kann, wie mancher gerne hämisch anmerkt. Er ist kein Tag, den Verlage vornehmlich nutzen, um mehr Produkte zu verkaufen. Wer das denkt, der muss irgendwie Pech mit der Wahl des Veranstaltungsorts gehabt haben. Der Gratisrollenspieltag ist der Tag, an dem alle gemeinsam – Verlage wie Fans, Händler wie Kunden – mit Kreativität und Liebe zum Hobby großartige Produkte und Events schaffen, um Interessierten zu zeigen, wie fantastisch das beste Hobby der Welt ist und dann einfach gemeinsam zu zocken. Und zu meiner eigenen Überraschung funktioniert genau das sehr hervorragend. Ich habe selten so viele begeisterte Spieler und vor allem Neueinsteiger auf einem Haufen gesehen, wie in diesem Jahr zum Gratisrollenspieltag. Ich freue mich sehr für uns und das Hobby und bin gespannt, wohin uns das in den nächsten Jahren noch führen wird. Vielleicht kriegen wir irgendwann doch noch unsere eigene Relics&Rarities-Serie.

Bevor ich nun zum Schluss komme, möchte ich noch kurz auf eine Sache eingehen, die mir am Samstag besonders aufgefallen ist. Vermutlich, weil sie einfach aus dem sonstigen Rahmen fällt. Teil des diesjährigen Pakets war die Karte mit Sicherheitstechniken im Rollenspiel. Die Verwendung der Karte oder alleine ihre bloße Existenz hat bereits im Vorfeld für Diskussionen gesorgt. Mehrere Teilnehmer berichten nun auch im Nachgang, dass sie sich eher desinteressierte oder sogar abfällige Kommentare für die Verwendung der Karte anhören mussten. Tatsächlich hat die Karte auch in der Brettspielkiste, wo ich den Tag verbracht habe, für Stirnrunzeln oder belustigte Sprüche gesorgt. Fast jeder Anwesende hat die Karte mal in die Hand genommen, dann aber wieder auf den Stapel gelegt und NICHT mitgenommen.

Die böse Karte…

Irgendwann habe ich mich dazu gestellt und, als die Karten wieder Thema wurden, erwähnt, dass ich die Karte gerade für schüchterne Personen eine nützliche Option finde und ich mir vor einigen Wochen selbst gewünscht hätte, die Karte am Spieltisch zur Hand zu haben. Toll fand ich, dass die Umstehenden zwar immer noch die Stirn runzelten, aber dann durchaus interessiert nachgehakt haben. In meinem konkreten Fall war ich Spielleiter, hatte spontan entschieden, eine Orkrotte als Kannibalen zu beschreiben, inklusive der ekligen Details, und war mir plötzlich unsicher, ob alle Mitspieler sich damit wohlfühlen würden. Ich kenne alle Spieler schon seit Jahren, aber seitdem die meisten von uns Kinder haben, haben sich Geschmack und Grenzen doch teils stark verschoben. Kinder in der Opferrolle geht bei mir beispielsweise nur noch sehr selten. Es gibt keinen konkreten Anlass dafür und ist einfach so. Früher war mir mehr oder weniger egal, wem im Spiel, auf der Leinwand, im Buch oder sonst einem Medium etwas geschieht. Heute bin ich bei Kindern sehr empfindlich und wenn ich schlecht drauf bin, schalte ich gedanklich dabei weg. Die ganze Szene nun vorher thematisieren und alle gedanklich darauf vorbereiten, wollte ich aber auch nicht. Es sollte schon ein kleiner überraschender Schock sein. Eine sich langsam aufbauende Beschreibung mit der Option, jederzeit ohne Diskussion anhalten oder ausblenden zu können, schien mir in dem Moment wirklich sinnvoll. Das habe ich dann am Wochenende auch so erzählt und tatsächlich hat sich im Anschluss ein gutes Gespräch über die Vor- und Nachteile der Karten ergeben. Als dann noch eine Spielerin dazu kam und von einer Con-Runde berichtete, die sie beklommen abgebrochen hat, weil ihre Figur minutiös gefoltert und vergewaltigt wurde, drehte sich die Haltung nochmal deutlich in Richtung „Pro Karte“. Kurz danach kam eine weitere Spielerin dazu und wusste von einer ähnlichen Erfahrung zu berichten. Hier übrigens ein kleiner Einschub: Egal wer euch gegenübersitzt – Alter, Geschlecht, Hautfarbe, völlig egal –, jemandem minutenlang zu erzählen, wie seine Figur gefoltert wird, ist immer eine bescheuerte Idee. Abenteuer, die darauf aufbauen, dass irgendwer minutenlang gefoltert wird, sind immer kacke. Sollte euch das gefallen, wechselt bitte, bitte, bitte das Hobby. Ernsthaft. Niemand findet das toll. Selbst wenn er sitzen bleibt und euch keine Sicherheitskarte an die Stirn tackert.

Aber zurück zum Thema. Für mich habe ich festgehalten, dass die Karte zumindest für Aufmerksamkeit sorgt und bestimmte unschöne Situationen, die am Spieltisch vielleicht vorkommen können, zum Thema macht beziehungsweise alle Beteiligten dafür sensibilisiert. Die Karte ist keine Anklage. Sie ist keine Option, die komplette Runde alle fünf Minuten umzulenken oder in Frage zu stellen. Sie ist nicht einmal wirksam, wenn mein Gegenüber sie ignoriert. Aber sie ist ein Mittel, das helfen, aufmerksam machen oder sensibilisieren kann. Die meisten Spieler fühlen sich in ihren Spielrunden pudelwohl und machen dort nie negative Erfahrungen. Das ist fantastisch und genau so soll es sein. Die Sicherheitskarte wird auch zukünftig daran nichts ändern. Aber wie in allen anderen Hobbys gehören auch schüchterne oder sozial wenig entwickelte Spielerinnen und Spieler zum Rollenspiel dazu. Und sicherlich auch waschechte Spinner. Wenn die Karte nichts anderes tut, als den Spinnern zu zeigen, dass sie bei uns nicht willkommen sind, und den Schüchternen, dass sie sich jederzeit an uns wenden können, dann hat sie ihren Zweck schon erfüllt.

Und zum Abschluss noch was ganz anderes, mein Loot aus dem Laden. Was für ein geniales Teil. Wieso ging das denn an mir vorbei?!